Finden und Binden von weiblichen Beschäftigten

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Beate Fleck – 11.03.2022

Es war ein kleines Jubiläum. Bereits zum 10. Mal fand am 4. März 2022 das Forum Personalentwicklung der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund statt. Diesmal in Kooperation mit dem bei der WFG Kreis Unna angesiedelten Kompetenzzentrum Frau & Beruf Westfälisches Ruhrgebiet (Competentia). Nicht ohne Grund, denn angesichts des enormen Fachkräftebedarfs standen dieses Mal Frauen im Fokus. Laut einer Prognose der IHK fehlen im Jahr 2030 in der Region mehr als 30.000 Fachkräfte. Dieser Mangel bestimmt in den Personalabteilungen der regionalen Unternehmen zunehmend die Agenda. Daher stieß das Thema auf große Resonanz und Moderatorin Wiebke Böhmer konnte 65 interessierte Besucherinnen und Besucher willkommen heißen.

Für die Dortmunder IHK begrüßte Vizepräsidentin Anja Fischer die Gäste der Zoom-Konferenz. Als IHK-Vizepräsidentin ist sie die einzige Frau im Präsidium. Die Unternehmerin leitet den Familienbetrieb TRD Reisen. Von der Urgroßmutter, über Großmutter und Mutter gab es in dem Busunternehmen schon immer weibliche Führungskräfte. Der sensible Blick auf die feinen Unterschiede ist für Anja Fischer daher selbstverständlich: „Wir nehmen alle Mitarbeitenden ob weiblich oder männlich immer als ganzen Menschen wahr. Wenn ich eine Frau als Führungskraft anstelle, dann muss ich mir bewusst sein, dass sie sich auch um all das zu kümmern hat, um das wir Frauen uns kümmern.“ So kann der Busfahrer, dessen Frau ihm die Koffer packt und ihm zuhause den Rücken frei hält, viel unbeschwerter seine Dienstreise antreten, als jemand, der oder die das nicht hat. Dies kleine Beispiel zeigt, wie wichtig Austausch und Informationen zum Thema „Weibliche Fach- und Führungskräfte finden und binden“ sind.

Vor allem Menschen mit Berufsausbildung werden rar
Zum Auftakt lieferte Sibylle Stippler vom Kompetenzfeld Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. einen Impulsvortrag unter dem Titel „So finden Unternehmen weibliche Fach- und Führungskräfte“. Die Wirtschaftsforscherin präsentierte Daten und Fakten zur Lage des sich wandelnden Arbeitsmarktes: „Wir haben einen Arbeitnehmermarkt. Unternehmen müssen sich heute bei den Fachkräften bewerben. Das haben viele noch nicht begriffen.“ Vor allem Menschen, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, werden in der Region händeringend gesucht. Häufiger noch als Menschen mit Hochschulabschluss. „Das wird perspektivisch nicht anders“, sieht die Arbeitsmarktexpertin wenig Entlastung: „Man sieht das bei den Zahlen zur Ausbildung.“

Auch ein weiterer Fakt verblüfft: Besonders groß ist der Mangel an Fachkräften dort, wo Geschlechterstereotype die Berufswahl junger Menschen einschränken. Das heißt, bei der Berufsorientierung muss sich einiges tun. Denn Frauen bieten ein gigantisches Potenzial auf dem Arbeitsmarkt, erläutert Sibylle Stippler: „Wir hatten noch nie so viele gut ausgebildete Frauen. Jetzt kommt das große ‚Aber‘. Denn Frauen arbeiten überwiegend in Teilzeit und es gelingt offenbar nicht, dass sie ihren Arbeitgebenden mehr Stunden zur Verfügung stellen. Vereinbarkeit von Job und Familie ist ein weiterer zentraler Schlüssel, wenn Sie Frauen gewinnen wollen.“

Moderne Jobanzeigen: Durchsetzungsvermögen versus Soziale Kompeten
Ein weiterer Fakt: Frauen arbeiten – anders als Männer – häufiger unter ihrem Qualifikationsniveau. Auch hier können Unternehmen etwas tun. Wer auf der Suche nach Fachkräften das Potenzial der Frauen stärker in den Fokus nehmen möchte, sollte verstaubte Stellenanzeigen einmotten und mit einfachen Dingen anfangen: „Schreiben Sie alle Geschlechtsbezeichnungen komplett aus!“ Wenn Unternehmen zum Beispiel zur „Sekretärin“ und zum „Ingenieur“ nur ein „m/w/d“ hinzufügen, erreichen sie keine Aufmerksamkeit beim anderen Geschlecht. Das ist erwiesen.

Auch bei den gewünschten Kompetenzen unterliegen Unternehmen, die alte Stellenanzeigen einfach übernehmen, oft dem alten Think-Male Phänomen. Welche Kompetenzen braucht es heute wirklich? Meist sind dies Flexibilität, kommunikative und soziale Kompetenzen sowie die Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen. Und mit der Anforderung der „Fähigkeit, Ziele erfolgreich zu erreichen“ wird das altbekannte männlich konnotierte „starke Durchsetzungsvermögen“ gezielt auf erfolgreiche Arbeit umgedeutet.

Auch Angaben zu Teilzeitoptionen sollten unbedingt in jeder Stellenanzeige stehen. Bislang kommt das Thema nur in elf Prozent der Stellenangebote vor. Dabei filtern Bewerberinnen in den großen Jobportalen ihre Suchanfragen häufig nach dem Begriff „Teilzeit“. So dass ihnen viele Jobangebote gar nicht erst angezeigt werden.

Generell rät die Expertin für Stellenbeschreibungen: „Werden Sie so konkret wie möglich und zeigen Sie deutlich, welche Kompetenzen die Bewerber und Bewerberinnen bereits mitbringen müssen und welche im Job entwickelt werden können. Vor allem: streichen Sie lange Listen mit Bullet-Points. Das schreckt Frauen ab. Wenn sie nicht alles können, bewerben sie sich erst gar nicht.“

Die Kanäle für das Finden von neuen Kolleginnen und Kollegen sind heute vielfältiger. Das wichtigste sind und bleiben aber die eigenen Beschäftigten als Botschafter und Botschafterinnen für das Unternehmen. Und daher gilt: Wer einen guten Job in der Bindung macht, hat im Recruiting schon viel gewonnen.

Wohlfühlklima im Unternehmen schaffen
An diese Thematik knüpfte der zweite Impulsvortrag an. WFG-und Competentia-Mitarbeiterin Anke Jauer zeigte, was Unternehmen tun können um, vor allem weibliche Fach– und Führungskräfte ans Unternehmen zu binden. Die Basics der Bindung sind flexible Arbeitszeiten, Zufriedenheit und Aufstiegschancen. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Denn in aktuellen Umfragen zeigt sich, dass sich die sogenannte „Generation Z“ heute das wünscht, was Frauen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon lange brauchen.

Doch was genau macht Jobs für Frauen attraktiv? Ein wesentlicher Bindungsfaktor sind flexible Arbeitszeiten. Die Varianten dafür nehmen zu: Sabbaticals, Teilzeitausbildung, Jobsharing, Homeoffice oder die vollzeitnahe Teilzeit: „Flexibilität aus Sicht der Frauen heißt oft, dass sie sich eine vollzeitnahe Teilzeit wünschen. Hier geht es darum, flexible und individuelle Lösungen anzubieten. Denn Teilzeit darf heute kein Karrierekiller mehr sein“, zeigt Jauer, wo noch Potenziale für Unternehmen schlummern.

Auch das mobile Arbeiten im Home-Office ist ein großes Thema. „Was heute möglich ist, war früher noch undenkbar. Doch die Distanz führt bei Frauen oft dazu, dass sie sich nicht gesehen fühlen und ihre eigenen Leistungen schlechter einschätzen können. Das heißt, es braucht auch neue Strukturen für Anerkennung und Feed-Back durch Führungskräfte“, erläutert Anke Jauer aktuelle Studienergebnisse. Für Frauen bedeutet Home-Office oft eine zusätzliche Belastung durch gleichzeitige Kinderbetreuung und fehlende Rückzugmöglichkeiten. Auch hier können Unternehmen handeln, etwa durch eine virtuelle Kinderbetreuung mit Clowns, Jonglierkursen oder Sportangeboten, wie es einige Unternehmen in der Region schon erfolgreich vorgemacht haben.

Dauerbrenner Vereinbarkeit
Dauerthema bei der Bindung von weiblichen Fachkräften ist die Vereinbarkeit von Beruf und familiären Aufgaben. Das beginnt mit der Planung und Unterstützung rund um die Elternzeit. Anke Jauer zeigt hier auch, dass Unternehmen auch hier viele Optionen haben: „Haushaltsnahe Dienstleistungen wie Wäscheservice finde ich persönlich sehr attraktiv. Und auch wenn Führungskräfte selbst die 4-Tage-Woche in Anspruch nehmen, ist das ein gutes Signal für die Beschäftigten.“ Es muss nicht immer gleich der Betriebskindergarten sein, auch betrieblich unterstütze Kinderbetreuung wie die Ferienbetreuung, das Spielzimmer oder Kindertage in Betrieben können eine große Entlastung sein.

Ob Flexibilität, Wohlfühl-Managerin, Obstteller, Selbstbestimmung, Boni oder Raumtemperatur – viele Facetten tragen dazu bei, die Zufriedenheit der Beschäftigten zu steigern und die Bindung zum Unternehmen zu stärken. Hier sind moderne Führungskräfte gefragt, die in engem Kontakt zu den Beschäftigten zu stehen und genau hinzusehen, wie sich die Bedürfnisse ihrer weiblichen Fachkräfte unterscheiden. Die Expertin für die Bindung weiblicher Fachkräfte unterstreicht: „Mängel im Verhalten von Vorgesetzen sind Kündigungsgrund Nummer eins.“

Das wichtigste ist und bleibt daher der Austausch und das Gespräch. Und so bot auch das 10. Forum Personalentwicklung der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund, das online via Zoom durchgeführt wurde, neben den inhaltlichen Impulsen auch die Möglichkeit zum Austausch. Das vielleicht wichtigste Fazit: Es lohnt sich für Unternehmen in jedem Fall, gezielt Frauen anzusprechen und für das eigene Unternehmen zu begeistern. Und das Beste ist – das trägt auch dazu bei, die Männer nicht zu verlieren.

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